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Die
Überquerung des Passo di Fraèle 1952 m ü.M. Italien, 5. und 6. Juli 2010 (Berg-Velotouren-Bericht
von Konrad Weber)
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Piz
di Campedell
Piz Nair Val Grande 1999 Monte Zeda Mont Blanc Breidtind
Platåberget Chukhung
Ri Rødryggen Lac d’Ifni Piz Corbet Mauna Kea Niesen Fraéle
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Lange Jahre wollten Matthias uns ich den
Fraèle-Pass überqueren. Nicht weil er sein besonders hoher Alpenpass ist,
sondern ein besonders tiefer. Beeindruckend am Fraèle ist nämlich, dass er
einer der sieben Pässe ist, die den Alpenhauptkamm (ohne Randbereiche)
unterhalb 2000 m ü.M. überqueren, also ähnliche
Bedeutung haben sollten wie der Brenner- oder Simplonpass. Der Fraèle ist
aber bei der verkehrstechnischen Erschliessung |
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der Alpen irgendwie vergessen gegangen. So hat es
eben weder Eisenbahn noch Hauptstrasse über ihn. Von Zernez nach Bormio (Fraèle-Route) hat es auch
keine Nebenstrasse, es gibt nicht mal einen Wanderweg, der der Passroute
folgen würde. Diese Besonderheit machte die Tour über den Fraèle interessant,
dass wenn man bei der Fraèle-Überquerung die 2000 m ü.M.
nicht überschreiten will, sogar gezwungen ist, eine Strecke von 4 km über den
Livigno-See zurückzulegen, machte die Tour hingegen wieder schwierig.
2010 versuchten wir es: Am Montag (5. Juli)
reisten wir auf den Berninapass und fuhren mit den Velos (und einem Gummiboot
im Gepäck) ins Val da Camp. Über den Pass da Val Viola (nördliche Passhöhe
auf 2455 m ü.M., Velo stossen, auf der Passhöhe
stellte ich fest, dass mein Vorderpneu platt war) gelangten wir nach Italien.
Das tolle dieser Anreise war, dass man im Abstieg ab 2345 m ü.M. fahren konnte, und die Strasse auf 1860 m ü.M. die Höhe bis zur Fraèle-Strasse
(von Bormio kommend) hielt. Diese Strasse, die in
spitzen Kehren mit wenig Steigung zu einem mit einem mittelalterlichen Turm
befestigten Pass ins Valle di Fraèle anstieg, soll zur Zeit des Staumauer-Baus
eine elektrische Oberleitung gehabt haben, damit die (Elektro-)Lastwagen den
Beton optimal zubringen konnten. Diesmal hatte ich ein Problem mit dem Hinterpneu,
den ich nicht mehr flicken konnte. Es war schon Abend, wir waren ganz allein
unterwegs und folgen der Schotterstrasse den Stauseen entlang bis zur
Passhöhe auf 1951 m ü.M., die wir um 21.00 Uhr
erreichten. Ganz in der Nähe übernachteten wir, den aufgeblasenen Boden des
Gummiboots verwendete ich als
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Die
Pässe unter 2000 m über den Alpenhauptkamm |
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Die Fraèle-Strasse oberhalb Valdidentro |
Unterlage. Am Dienstag standen wir um sechs Uhr
auf und fuhren die letzten vier Kilometer Naturstrasse Richtung Schweiz. Die
Gegend war menschenleer und hatte landschaftliche den Charakter der
kanadischen Rocky Mountains. Über den Fluss Acqua
del Gallo hatte noch eine Brücke, wir nahmen dort ein grosses Frühstück zu
uns, danach wurde der Weg immer schlechter. Als der Livigno-Stausee sichtbar
wurde verfiel der Weg fast ganz, stellenweise war er abgerutscht. Es war
nicht einfach an diesen Stellen mit den Velos und dem ganzen Gepäck
durchzukommen. Auf 1870 m ü.M., dort, wo der Weg
zum Pass dal Gal aufstieg, verliessen wir ihn, und
wollten durch den Wald zum Seeufer absteigen. Der Wald war aber dicht und
uneben, der Velotransport kam kaum voran, die vielen Äste und Stämme beschädigten
die Velos auch, drohten auch dem Gummiboot einen Riss zu bescheren. Wie
wichen deshalb auf ein kleines Bachbett aus, das war zwar steil und steinig,
aber dafür übersichtlich. Die letzten 10 m vor dem See, war das Bachbett
jedoch ein Wasserfall (senkrecht), so mussten wir nochmals durch das
Dickicht. Da der Livignosee ein Stausee ist, war
der Wasserstand zu dieser Zeit tiefer als maximal (also 1795 m ü.M.), am Ufer war also ein vegetationsfreier
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Strassenverlauf |
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Streifen, auf dessen steilem Schotter wir noch traversieren konnten
(mit jedem Schritt rutschte man aber einen halben Meter dem See entgegen),
bis uns ein Seitenarm des Sees den Hinweis gab, dass nun der |
Das Valle di Fraèle am oberen Stausee |
Der Lago San Giacomo
di Fraèle |
Die Strasse nach der Passhöhe |
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Tiefer Pass,
schwierige Route (gepunktet: stossen, blau: Boot)
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Wasserweg angesagt war (auf der anderen Seite
des Seitenarms waren auch Felsen, die eine Uferpassage verunmöglichten).
Wir wussten, dass am frühen Morgen der Wind (Bergwind) noch mit uns bliess
und dann bald einem kehren würde, also pressierten wir mit Einladen (wir
wollten nicht bei Gegenwind (Talwind) paddeln). Mit
Schrecken stellte ich fest, dass in der Zubehör-Tasche, die ich aus
Gewichts-Gründen zu Hause gelassen hatte (Pumpe, Reservepaddel), auch die
Ventile gewesen waren. Ratlos sassen wir also auf einem steilen Kap und
hatten ein Gummiboot ohne „Deckel“. Matthias fand heraus, dass die
Plastikstangen der Paddel die gleichen Gewinde hatten, wie die Ventile. So
bliesen wir die beiden Kammern des Gummiboots auf und schraubten je einen
Paddelstangenteil hinein. Mit Jacken eingebettet, legten wir die Velos
(damit sie das Boot nicht verletzten) hinein, die Rucksäcke mit aufgeblasenen
Plastiksäcken gefüllt, damit sie nicht untergehen würde, dazu, Schuhe
ausgezogen (würden sowieso nass werden) und weiter ging die Tour. Die
Vorbereitungen hatten eine ganze Stunde in Anspruch genommen, tatsächlich kam
schon der Talwind auf. Um die ersten 100 m
(Seitenarm-Überquerung) zu leisten, hatten wir zwei Minuten, dann folgten wir
mit einem Abstand von 5 m dem Ufer. Die improvisierten Ventile hielten sehr
gut, das Boot hatte aber noch ein kleines Loch, so dass Matthias (er sass bei
den Ventilen) alle 6 min erneute aufblasen musste (manchmal warteten wir zu
lange und schon schwappte Wasser ins Boot). Wenn wir beide paddelten, ging es
vorwärts, wenn er aber mit der Luft beschäftigt war, konnte ich nur ungefähr
den Gegenwind ausgleichen. Es kam dann am Ufer eine Abschnitt, der nicht mehr
felsig war. Dort stieg ich aus und zog das Boot meiner Schnur, Matthias
steuerte dann wie ein Fährmann. Die grösste Etappe war gegen Schluss die
Überquerung des Seitenarms, der auch die Schweizer Grenze markierte. Sie war
länger, hatte starken Gegenwind, auch. |
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Wellen kamen auf, und das nachfolgende Ufer war felsig. Nach 3 km
Seefahrt (in 90 Minuten) konnten wir aber aussteigen und alles Material zu
einem Wanderweg hinauftragen. 200 m vor der Staumauer gönnten wir uns eine
grössere Pause, das Gummiboot zerlegte ich (wegen dem Loch und dem Gewicht),
den platten Hinterpneu musste ich jedoch behalten. Wieder in der Zivilisation
(ausgebaute Wege, Strassen) kamen wir gut vorwärts zur OfenpassstrasseSo
hatten wir es geschafft die Fraèle-Strecke zu fahren, ohne 2000 m ü.M. zu überschreiten. Weil erst Mittag war, entschieden
wir uns, nicht nach Zernez zu fahren, sondern über den Ofenpass, dann die
Velos über die Fuorcla Funtana
da S-charl (2393 m ü.M.)
zu stossen und nach Scuol hinab zu fahren. |
Der
Livignosee dem Ufer entlang |
Zurück an Land, vor
der Staumauer |
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