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Der
Mont Blanc von ganz unten 4807 m ü.M., Frankreich, 19.-21. Juli 2000 (Bergtouren-Bericht
von Konrad Weber)
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Piz
di Campedell Piz Nair Val Grande 1999 Monte Zeda Mont Blanc Breidtind
Platåberget Chukhung
Ri Rødryggen Lac d’Ifni Piz Corbet Mauna Kea Niesen Fraéle
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Am Mittwoch, 19. Juli 2000,
starteten wir (Veronika, Adrian und ich) um 10.54 Uhr in der Unterführung des
Bahnhofs St-Gervais-les-Bains-Le-Fayet auf 580 m.ü.M. Wir begannen
unsere Tour dort, weil das der tiefstgelegenste Ort
in der Nähe des Mont Blanc ist. Zu Fuss wanderten wir mit je 19 kg schweren
Rucksäcken auf dem Wanderweg via St-Gervais und Montivon
auf den Col de Voza (1653 m.ü.M.,
letzter Brunnen). Der weitere Weg war eine Hangtraverse zur Moräne des
Glacier des Bionnassay. Dort auf 1810 m ü.M. hatten wir das Tagesziel erreicht; ich schlief eine
Stunde im Gras, bevor wir um sechs Uhr das Zelt auf der Weide aufstellten.
Kaum hatten wir uns nach dem Sonnenuntergang in die Schlafsäcke gelegt, kamen
schwarze Kühe hinauf, versammelten sich um das Zelt und reagierten auf
Lebenszeichen mit Schauben und Spannschnüre-Stolpern. Wir unternahmen mehrere
Gegenoffensiven um sie zu verscheuchen, die letzte um zwei Uhr. Der Grasboden
war schön weich und es war warm, ich war sogar stolz darauf, keine Unterlage
(„Mätteli“) mitgenommen |
Aiguille de Goûter, von Chamonix aus gesehen |
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zu haben, was ich in jenen Jahren als unnötiger
Ballast beim Trekking anschaute. Am Donnerstag schliefen wir
bis acht Uhr aus. Gemütlich wanderten wir später zuerst auf der Moräne, dann
den felsigen Hang hinauf zur Bergstation Le Nid’Aigle
(wo die Zahnradbahn „Mont-Blanc-Tram“) endet. Es kamen gerade unzählige
Bergsteiger an, mit denen wir durch Geröllhalden und auf einem Felsgrat-Weglein zur Cabanne de la Tête Rousse aufstiegen. Ab 3200
m ü.M. hatten wir die Steigeisen an den Schuhen,
das Gelände wurde steil, |
4227 m Aufstieg (ohne Gegensteigung) |
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Flanke der Aiguille
de Bionnassay |
felsig und hatte viele
Schneestellen. Die Hunderten von Bergsteigern waren aber die grösste Gefahr, denn
diese lösten immer wieder Steine aus. Eine halbe Stunde, nachdem wir ein grosses Couloir durchquert hatten, fiel dort ein ca.
300 kg schwerer Felsblock herunter. Im oberen Bereich dieser Normalroute
war an vielen Stellen ein Stahlseil montiert. Bei der Cabanne
auf der Aiguille du Goûter
auf 3817 m ü.M. hatten wir eigentlich das Tagesziel
von 2000 m Aufstieg erreicht. Es war aber erst 15.50 Uhr, die Hütte war hoffnungslos
überfüllt (was wir erwartet hatten), daneben war ein richtiger |
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Zeltplatz aufgestellt, wir
beschlossen nach einer ausgiebigen Pause weiterzugehen. Wir kauften Wasser
und liefen am Seil auf den Dôme du Goûter auf 4304
m ü.M. Gleich dahinter, auf dem flachen Firn des
Col du Goûter (4260 m ü.M.)
standen schon vier Zelte, wir stampften uns auch noch einen Platz in den
Schnee, legten eine Folie zuunterst und stellten das Zelt darauf auf.
Veronika und Adrian teilten die beiden Mätteli mit
mir (nun bereute ich meine Einsparung). Das Abendessen bestand aus Darvida und Erdnüsschen, um neun Uhr versuchten wir auf
der hügeligen Grund zu schlafen. Ich trug Pullover, Jacke, zwei Paar Hosen
und drei paar Socken und fror während der
Übernachtung nie; dennoch konnte ich wenig schlafen. Den Freitag begannen wir um
drei Uhr in der Früh. Die Temperatur im Zelt war auf -9 °C gesunken. Das
Frühstück assen wir noch im Schlafsack. Das grösste Problem dieser Tour
entstand, als ich in die etwa -12 °C kalten Wanderschuhe stieg. Es wurde mir
in diesen Minuten übel (was ich in der Höhe sonst noch nie erlebte), doch ich
dachte nicht, dass es wegen den kalten Füssen sei. Der Kälte der Schuhe
konnten meine schlecht durchbluteten Zehen nämlich nicht widerstehen und
froren innert Minuten ein. Wir rüsteten uns mit dem Hochtourenmaterial aus
und liefen um 3.50 Uhr los (das Zelt liessen |
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wir vorerst stehen). Ab 4327 m ü.M. übertraf ich meinen bisherigen Höhenrekord, klagte
aber oft über „sehr“ kalte Füsse (mehrere Mal bestand ich darauf, anzuhalten,
die Schuhe auszuziehen und meine Füsse (durch die Socken, so dass ich sie
nicht sah) zu massieren. Sonnenaufgang auf dem Mont Blanc-Gipfel |
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Exakt auf den Sonnenaufgang erreichten
wir den höchsten Berg Europas, damals auf 4807 m ü.M.
(der Schneegipfel ist mittlerweile ca. 10 m weniger hoch), vor uns waren nur
ca. 20 Personen, nach uns kamen gegen 300. Der Himmel war wolkenlos und die
Fernsicht einmalig; das Hinabschauen auf Matterhorn und Monterosa war
eigenartig. Beim Zelt spürte ich wieder Wärme in den Füssen. Der Abstieg war
nach Chamonix geplant, zuerst |
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Abstiegsroute vom Mont Blanc nach Chamonix |
durch ein Gletschertal, dann
unter einem Eisabbruch durch. Auf 3600 m ü.M.
schaute ich erstmals meine Füsse an und stellte fest, dass die Zehen an den
Spitzen schwarz waren (Erfrierungserscheinung), was mich und die andern
schockierte. Wir mussten weiter, es hatte viele Gletscherspalten und der Weg
war noch weit. Gegen drei Uhr kamen wir zur Luftseilbahnstation Plan de l’Aiguille auf 2310 m ü.M. und
fuhren nach Chamonix hinab. Am Bahnhof füllten wir die Wasserflaschen und ich
desinfizierte meine Zehen. Erst in Martigny rief ich meinen Hausarzt an, er
meinte, ich solle die Zehen sofort im Spital zeigen. So verabschiedete ich
mich von den Kollegen und fuhr mit dem Bus zum Spital, lief zur
Notfallaufnahme und erklärte mit meinem französisch, ich hätte ein Problem
mit den Füssen (was unglaubwürdig wirkte, weil ich normalen Schrittes
eingetreten war. Die Untersuchung ergab nichts schlimmes, die gefrorenen
Partien waren noch nicht gänzlich abgestorben und regenerierten sich. |
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